Neuseeland - Teil 2
Weil für morgen schlechtes Wetter vorhergesagt ist, will ich heute das doppelte Pensum abspulen. Ich krieche daher bereits um 6:45 Uhr aus den Federn, bin um 7:30 auf dem Geothermal Explorer Highway (der heißt wirklich so) und erreiche gegen 8:30 Uhr fast als Erster das Besucherzentrum des Geothermal Wonderland in Waiotapu, irgendwo zwischen Taupo und Rotorua. Hier dreht sich nun endgültig alles um Vulkanismus. In der gesamten Gegend ziehen dichte Dunstschwaden übers Land und es riecht penetrant nach Opas Fürzen. Den Schwefelgeruch kriege ich vermutlich tagelang nicht mehr aus der Nase. Doch die Entbehrungen lohnen sich. In dem Park gibt es allerlei zu entdecken, von gähnenden Kratern, aus denen Dampf aufsteigt, über blubbernde schwarze Schlammtümpel und neonfarbige Pools bis hin zu aktiven Geysiren. Jede Attraktion hat einen mehr oder weniger treffenden Namen, von denen sich viele um den Beelzebub drehen, wie z.B. Devil’s Home, Devil’s Bath und Devil‘s Ink Pots. Das ist etwas inflationär und erinnert mich an die unsäglichen Hitler-Dokumentationen von Guido Knop („Hitlers helfende Hände“; „Hitlers Hütehunde“; „Hitlers Hodenhochstand“ usw.). Besonders populär ist der Champagne Pool. Der dampfende, perlende und sprudelnde Pool ist 60 Meter tief, und sein Wasser ist tiefgrün und kochend heiß. Die Ränder des Bassins werden von Ablagerungen schwefelgelb und orangerot eingefärbt. Ebenso beliebt ist der Lady Knox Geysir. Weil sein natürlicher Zyklus irgendwo zwischen 24 und 72 Stunden liegt, haben die Kiwis beschlossen, etwas nachzuhelfen. Jeden Tag pünktlich um 10:15 Uhr schüttet ein Parkmitarbeiter Waschpulver in den Krater. Das Waschpulver verringert die Oberflächenspannung des unterirdischen Wassers und trägt dazu bei, dass sich die heißen und kalten Wasserschichten vermischen. Kurz darauf fängt es an zu blubbern, bis der Geysir dann schließlich für weniger als eine Minute eine ca. 20 Meter hohe Fontäne in den Himmel bläst.
Rotorua. Regen. Ruhetag. Ich sitze im geparkten Auto und schaue dem Regen zu, wie er die Windschutzscheibe hinunter rinnt. Es schifft schon den ganzen Tag. Immer wenn es einmal kurz nachlässt,
spurte ich im Schweinsgalopp zur nächstgelegenen Sehenswürdigkeit. Doch sobald ich die Kamera auspacke, um ein paar Fotos zu machen, gießt es gleich wieder unerbittlich weiter. Es ist zum
Kotzen echt schade. Irgendwann gebe ich entnervt auf und gehe zu Indoor-Aktivitäten über. Unter anderem sehe ich mir an, wie ein Maori-Stamm in Whakarewarewa seine Kultur ausverkauft, indem er
zweimal täglich rituelle Gesänge und Tänze für Touristen aufführt. Es ist natürlich völlig in Ordnung, dass diese Menschen nach all der Unterdrückung und Ausbeutung, die sie oder ihre Vorfahren
erlitten haben, den Spieß umdrehen und Kapital aus dem Tourismus schlagen. Die Show ist auch wirklich sehenswert. Aber ein fader Beigeschmack bleibt. Und dass die Akteure bei der Aufführung ihre
Quarzuhren fernöstlicher Provenienz tragen, steigert auch nicht gerade die Authentizität der Darbietung.
Im Hotel angekommen nutze ich den Schlechtwettertag dazu, einen Teil meiner Kleidung zu waschen. Nur schnell mal eben ein paar Shirts und etwas Unterwäsche im Waschbecken auswaschen. Danach wende ich einen patentierten Kniff an, den mir Neringa beigebracht hat: Zum schnellen Trocknen der Klamotten rollt man sie in ein Handtuch ein, stellt sich mit einem Fuß auf das eine Ende des Handtuchs, und an dem anderen Ende dreht man, so fest es geht. Klappt prima. Doch als ich gerade heftig schnaufend und nur mit einer Unterhose bekleidet so richtig fest wringe, steht plötzlich das Zimmermädchen hinter mir im Türrahmen. Die Arme ist sichtlich irritiert und weiß nicht so recht, wie sie mit der Situation umgehen soll. Ich erkläre ihr, dass es nicht das ist, wonach es aussieht, und dass das Handtuch den Streit angefangen hat, doch da hat sie bereits wortlos den Rückzug angetreten. Hoffentlich kriege ich nicht noch Besuch vom Management, das mich wegen sexueller Belästigung des Personals zur Abreise auffordert. In den USA könnte sowas passieren. Da muss ich wohl künftig etwas vorsichtiger sein…
Ihr habt in Deutschland jetzt gerade Winter, mit Dauerfrost und Schnee und so, gelle? Dass es an meinem nächsten Ziel, der Coromandel Peninsula weiter nördlich an der Ostküste, demgegenüber wohl recht sommerlich zugeht, wird mir klar, als im Radio eine Sondersendung ausgestrahlt wird, in der es darum geht, was Haustierbesitzer in der Gegend ihren kleinen Lieblingen Gutes tun können, damit sie besser mit der Hitze zurecht kommen. Und tatsächlich steigt die Temperaturanzeige in meinem Mietwagen immer weiter, bis dann irgendwann bei 27 Grad Schluss ist. Darauf war ich überhaupt nicht eingestellt, und der Fußmarsch zur Cathedral Cove in der Nähe von Whitianga wird für mich zu einer schweißtreibenden Angelegenheit. Doch es hat sich gelohnt, wie die folgenden Fotos belegen.
Zwischenzeitlich bin ich in Whangarei im Northland, dem nördlichsten Punkt meiner Tour durch Neuseeland, angekommen. Die Lodge, in der ich wohne, ist ein Traum. Das Haus von 1896 hat nur vier Gästezimmer und wird von den beiden Inhabern, Karen und Andy, persönlich geführt. In der näheren Umgebung sind die Whangarei Falls einen Besuch wert. Die Wasserfälle sind 26 Meter hoch, und ein schöner Rundweg durch den Wald führt bis direkt davor. Reizvoll ist auch Tutukaka. Hier trifft man nicht etwa auf Pippi Langstrumpf und Herrn Nilsson, sondern findet einen wunderbaren 360 Grad Panoramablick über die Küste vor. Das im Touristenprospekt angepriesene "Lighthouse" wird den Erwartungen hingegen nicht gerecht. Es ist nämlich nur eine kleine Funzel und müsste daher eher "Light Bulb" heißen.
Nach rund dreieinhalb Wochen und 4.400 km auf Neuseelands kurvigen, mitunter quälend langsamen und teilweise nicht asphaltierten Straßen habe ich meinen Zielort Auckland erreicht. Als ich den Mietwagen abgebe, bin ich erleichtert, dass ich jetzt erst einmal für ein paar Wochen nicht mehr selbst fahren muss, sondern geflogen bzw. kutschiert werde. Das Wetter ist traumhaft und das öffentliche Leben spielt sich auf den Straßen, in den Parks und vor allen Dingen am Wasser ab. Zwischen Queens Wharf und dem Wynyard Quarter tummeln sich leicht bekleidete, aber schwer parfümierte Menschen in Bars und Restaurants und genießen das Wochenende. An allen Ecken gibt es Live-Musik, in der Skycity wird ein Sommerfest gefeiert, und auf dem Aotea Square gibt es Unterhaltung für die Kleinen. Mir ist das alles viel zu viel. Nach den nicht zu leugnenden Strapazen und den unzähligen Eindrücken auf der bisherigen Reise brauche ich eine Auszeit von der Auszeit. Mit mehreren hundert anderen Erholungssuchenden besteige ich daher die Fähre nach Waiheke Island. Die Insel, die etwa 15 Kilometer oder 35 Minuten von Auckland entfernt im Hauraki Golf liegt, wird wegen ihrer Strände und Weingüter als eine der schönsten Inseln der Welt gehandelt. Das scheint mir ein würdiger Ort zu sein, um die Reise durch Neuseeland ausklingen zu lassen.
Am Abend und am nächsten Tag reißen mich Emily und Hakan, mit denen wir uns am Fox Glacier angefreundet haben und die in Auckland leben, aus der Lethargie. Wir gehen essen, sehen uns gemeinsam die Skyline bei Nacht an, und am nächsten Morgen fahren die beiden mit mir zu einer Tölpelkolonie etwa eine Stunde außerhalb von Auckland. Ich werde die beiden und dieses wunderbare Land vermissen...
Und jetzt geht es dann auch schon weiter nach Buenos Aires. Mehr zum weiteren Verlauf der Reise gibt es bald hier: