Gardasee 2016

 

"Heute hab ich an der Iphigenie gearbeitet. Es ist im Angesichte des Sees gut vonstatten gegangen."

 

(J.W. von Goethe in seinem Tagebuch)

Kennt ihr das? Der jährliche Inspektionstermin steht kurz bevor und das Motorrad hat noch nicht die Laufleistung, die es eigentlich haben dürfte/sollte? Mir fehlen aktuell ganz konkret rund 2.500 km bis zum nächsten Wartungsintervall. Und wer mag sich schon die mitleidigen Blicke des Werkstattmeisters antun, der einen dann auch noch trösten will und wohlmeinend sagt, es sei ja wirklich ein mieser Frühling gewesen, und da fahre man halt nun einmal nicht so viel Motorrad? Aber das Wetter ist natürlich tatsächlich eine Katastrophe: Mehrmals täglich ergießt sich in den letzten Wochen monsunartiger Starkregen über das Rhein-Main-Gebiet. Menschen werden auf Festivals vom Blitz erschlagen. Ganze Orte sind wegen Hochwassers von der Außenwelt abgeschnitten. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals so ein bescheidenes Frühjahr hatten. Jedes Mal – aber auch wirklich jedes Mal – wenn ich auf den Bock steige, kriege ich den Hintern gewaschen. Es muss etwas passieren! Ich will Sonne, Wärme, gutes Essen, kurvige Straßen, und außerdem etwas Schotter unter die Räder nehmen. Also packe ich ein paar frische Schlüpfer ein und fahre kurzentschlossen für vier Tage an den Gardasee. Der Start gestaltet sich gewohnt nervig: Stau auf der A5. Noch vor Darmstadt drehe ich ab und versuche mein Glück auf der A3. Dort staut es sich vor Würzburg. Also doch wieder gen Süden, auf die A81. Auf der es sich dann wenig später wegen eines Blechschadens natürlich ebenfalls staut. Geschlagene 10 Stunden brauche ich für die rund 830 km nach Nago-Torbole. Ein Tag zum Abhaken.

Doch das Trentino ist bekanntlich ein herrliches Motorradrevier und ich werde für meine Entbehrungen vom Vortag mehr als entschädigt. Gleich um 8 Uhr breche ich bei bestem Wetter auf und folge den Tourenempfehlungen, die mir Massimo, der Rezeptionsmitarbeiter meines Hotels und begeisterte Ninja zx-6r Pilot, in die Landkarte gemalt hat. Zunächst geht es auf die Monte-Baldo-Höhenstraße, die sich auf rund 58 km zwischen Mori und Spiazzi auf der Ostseite des Monte Baldo den Hang entlang schlängelt. Die meist sehr schmale Straße mit nicht einsehbaren Kurven und wenig Ausweichmöglichkeiten ist nichts für Aufzünder, sondern eher für Naturfreunde und Blümchenpflücker. Sie bietet großartige Blicke in das Etschtal, und etwa in der Hälfte der Strecke findet sich in einer Scharte im Bergkamm ein Gasthaus, von dessen Terrasse man hinunter auf den Gardasee und die am Seeufer gelegenen Städte Limone und Riva blicken kann. In Spiazzi lohnt sich ein kurzer Stopp, um die unter einem Felsvorsprung errichtete Wallfahrtskirche Madonna della Corona zu besichtigen.

Begegnung zweier dicker V2 am Ufer des Gardasees in Riva
Blick auf Torbole
Schotterspaß im Trentino
Von einer Herde Schafe ausgebremst
Wallfahrtskirche Madonna della Corona in Spiazzi

Weiter geht es nach Rovereto, und von dort über den zügig zu fahrenden Passo Pian delle Fugazze zum Ossario del Pasubio. Das 35 m hohe Ossario auf dem Colle di Bella Vista ist ein Kriegsdenkmal. Hier liegen die Überreste von 13.000 italienischen und österreichischen Soldaten, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind. Von dort nehme ich den Passo di Xomo und fahre über Arsiero nach Lavarone. Von hier lohnt ein Abstecher zur Kaiserjägerstraße, die zwischen Lavarone und Levico-Terme liegt. Es handelt sich um eine Militärstraße zum Monte Rovere, die im Ersten Weltkrieg von Tiroler Kaiserjägern gebaut wurde. Sie ist nur etwa 10 km lang und gewährt tolle Ausblicke, die man jedoch nur bedingt genießen kann, weil die teils rumpelige und schmale Straße mit einigen engen Spitzkehren die volle Aufmerksamkeit fordert.

Ossario del Pasubio
Passo di Xomo
My home is my castle
Kaiserjägerstraße

Nach ein wenig Müßiggang und reichlich Cappuccino am Seeufer in Riva und Torbole fahre ich auf den Passo Coe auf dem Altopiano di Folgaria. Auf dem Scheitel biege ich auf einen schmalen, grob geschotterten Pfad ab, der einige Kilometer später zum Forte Sommo Alto führt. Auf dem Dach des zerschossenen Forts kann man noch die Überreste von Geschützstellungen erkennen, und im Inneren kommt wegen der maroden Wände, der Pfützen und den durch die Decke tropfenden Rinnsalen eine beklemmende Stimmung auf. Durch den Wald fahre ich ein schattiges Schottersträßchen hinab zum Passo del Sommo und anschließend zurück nach Nago, wo ich mit den Einheimischen bei einer exzellenten Pizza Fußball gucke und mir in der Abendsonne die Platte bräune.

Wagemutiger Klippenspringer in Riva
Auf der Alm, da gibt's ka Sünd'!
Schiefe Grüße in die Heimat
Endurowandern im Trentino
Die Italiener haben auch einen Karl Dall - und genau wie unserer ist er Philosoph!
Björn und GS am Forte Sommo Alto
Schmal und grob geschottert - ein Weg wie geschaffen für die GS!

Für den Rückweg brauche ich diesmal nur 8 Stunden. Die Hose zwickt verdächtig, weil ich wegen Pizza, Pasta und Gelato wohl das eine oder andere Kilo zugenommen habe. Doch ich bereue nichts. Das Trentino mit seinen traumhaften Straßen, freundlichen Menschen und kulinarischen Genüssen hat einen weiteren Fan gewonnen. Und dem Werkstattmeister habe ich kommende Woche nun auch etwas zu erzählen!

Tunnelblick
Cremiges Gelato mit beträchtlichem Brennwert
Daheim ist Putzen angesagt
Der Gardasee ist beliebt bei Wassersportlern