Rhön 2015 (oder: Die K-Frage)
 
"Das Bessere ist der Feind des Guten."
                                                               (Voltaire)
 
Seit nunmehr zwei Wochen plagt mich eine hartnäckige Erkältung. Meine Nebenhöhlen sind so verstopft, dass mein Schädel zu platzen droht und schon die Erschütterungen beim Gehen verursachen mir Schmerzen in den Zähnen. Sollte man in diesem Zustand Motorrad fahren? Man muss sogar, wenn man die Gelegenheit hat, vier Tage lang eine vollausgestattete K 1600 GT Probe zu fahren! Die Maschine hat einen absolut laufruhigen Reihensechszylinder und ein äußerst komfortables Fahrwerk, das selbst gröbste Widrigkeiten der Fahrbahn von meinem Hintern und meinem wummernden Kopf fernhält. Bis jetzt waren wir gemeinsam im Taunus, im Sauerland und im Münsterland, und die erste Tagesetappe mit über 650 km hat mich mehrfach laut in den Helm frohlocken lassen, was für ein sensationelles Motorrad diese K 1600 doch ist. Der Motor bietet mehr als genug Leistung in allen Lebenslagen; man kann quasi direkt nach dem Anfahren in den sechsten Gang hochsteppen und diesen dann einfach stehen lassen, ganz egal ob in der 30er-Zone oder auf der Autobahn. Und dabei ist das Aggregat jederzeit berechenbar, hängt wunderbar direkt am Gas. Aufregend unaufgeregt. Der Windschutz ist exzellent und macht ein dauerhaftes Reisetempo von 200 km/h möglich, wenn das gewünscht wird. Die Turbulenzen sind selbst bei solchen Tempi gering und die Geräuschkulisse im Helm angenehm ruhig. Stauraum für die lange Tour ist ebenfalls reichlich vorhanden. Wenn man auf einer Reise abends einmal kein Hotel findet, kann man zur Not auch im Topcase übernachten.
Sicher fahren mit ABS
Ein würdiger Parkplatz am Biggesee
Die K eignet sich auch für Großtransporte

Heute soll es in die Rhön, die Wetterau und den Vogelsbergkreis gehen. Bereits am vergangenen Wochenende waren Neringa und ich mit Gerd im UNESCO Biosphärenreservat Rhön unterwegs, und der "Pfadfinder unseres Vertrauens" hat uns ein paar superbe Sträßchen gezeigt, die die K und ich uns heute noch einmal in Ruhe auf der Zunge zergehen lassen wollen. Schnell noch den 24-Liter Tank randvoll machen und ab geht die wilde Fahrt! Als einer der ersten erreiche ich an Christi Himmelfahrt den Gipfel der Wasserkuppe, dem mit 950 m höchsten Berg Hessens. Die Wasserkuppe ist ein beliebtes Ziel von Bikern, Radfahrern, Wanderern, Segelfliegern, Paraglidern und Familienausflüglern. Sehenswert ist das Radom, eine extraterrestrisch anmutende Radarstation, das Fliegerdenkmal und natürlich das fantastische Panorama.

Radom auf der Wasserkuppe
Flieger, grüß' mir die Sonne!
Fliegerdenkmal
0 PS versus 160 PS

Anschließend düsen die K und ich zum Skulpturenpark Deutsche Einheit in Mellrichstadt, wo man sich die ehemaligen innerdeutschen Grenzanlagen sowie eine künstlerisch-kritische Auseinandersetzung mit den Themen Krieg und Vertreibung ansehen kann. Kultur macht hungrig, daher kehre ich beim Brauhaus Grill in Mellrichstadt ein. Das Etablissement ist bei Bikern sehr beliebt, denn das Essen ist gut und man kann draußen am Ufer der Streu sitzen, dem Plätschern des Wassers lauschen und immer mal wieder den Blick über sein Mopped schweifen lassen.

Skulpturenpark Deutsche Einheit
Heimat
König von Deutschland
Die Drei von der Tankstelle
Mellrichstadt in klein
Fitnessteller im Brauhaus Grill

Nach dem durchgeplanten Vormittag darf am Nachmittag König Zufall regieren. Ich lasse mich einfach treiben, fahre ohne Plan und ohne Richtung eine weite Schleife und biege mal links und mal rechts ab. Unter anderem besuche ich Schloss Glücksburg in Römhild, den mittlerweile ziemlich überlaufenen Kreuzberg sowie den Kreuzweg der Nationen in Wildflecken, an dem der Weltkriegsopfer gedacht wird, bevor ich mich durch die Wetterau zurück nach Frankfurt schlängele. Ich habe heute einen vollen Nine-to-Five-Arbeitstag im Sattel der K 1600 GT verbracht (und dabei hunderte Bikergrüße erwidert), daher habe ich jetzt ein recht genaues Bild von den vielen Stärken des Motorrads, kenne aber auch die wenigen Kritikpunkte. Wie etwa die zu weiche Sitzbank, die vergleichsweise schnell durchgesessen ist. Dafür bietet sie aber viel Platz, sodass man bei Bedarf nach vorne oder hinten rutschen kann, um den Hintern zu entlasten und den Kniewinkel zu variieren. Oder das hohe Gewicht, das sich zwar beim Fahren auf wundersame Weise in Luft auflöst, das aber beim Rangieren zu höchster Achstamkeit mahnt. Den über 320 kg habe ich als Hänfling mit 70 kg (einschließlich Helm und Stiefel) rein gar nichts entgegenzusetzen. Wenn das Mopped einmal kippt, dürfte es kaum noch zu halten sein, daher sind eine sichere Fahrzeugbeherrschung und gesteigerte Wachsamkeit beim Rangieren gefragt. Dafür ziehe ich jedoch den Hut vor demjenigen, der den Hauptständer entwickelt hat! Er oder sie muss in der Schule gut aufgepasst haben, als es um Hebelwirkung ging, denn das schwere Gefährt lässt sich mühelos aufbocken. Das habe ich bei Motorrädern, die 100 kg leichter sind, schon deutlich schlechter erlebt.

Weiter geht's!
Zwei der Bewohner von Schloss Glücksburg. Der Adel sollte dringend Wert darauf legen, dass sein Genpool einmal kräftig durchgemischt wird...
Grenzanlage
Kreuzweg der Nationen
Bad Brückenau
Gutes Rad ist teuer...
So stellt sich nun also die K-Frage.
ICH: "Jungs, braucht man so eine K?"
TEUFELCHEN: "Ich bin der Geist, der stets bejaht! Das Teil hat mächtig Feuer!"
ENGELCHEN: "Die fährt sich einfach himmlisch! Worauf zur Hölle wartest Du?!"
ICH: "Okay, dann verkaufe ich schon einmal den Fernseher und das Auto und suche mir einen Zweitjob..."