Rothenburg o.d.T. 2014
„Zum Reisen gehört Geduld, Mut, Humor und daß man sich durch kleine widrige Zufälle nicht niederschlagen lasse".
(Adolph von Knigge)
Des Jobs wegen verschlägt es mich am Freitag vor Pfingsten nach Süddeutschland. Die Wetterfrösche haben den totalen Sommer ausgerufen und das lange Wochenende naht mit großen Schritten. Daher
beschließe ich kurzerhand, die Geschäftsreise mit dem Motorrad zu machen und nach dem Termin noch eine Nacht dranzuhängen, um etwas Kultur zu schnuppern. Was ich nicht bedacht habe ist, dass
heute in Baden-Württemberg und Bayern die zweiwöchigen Pfingstferien beginnen. Das ist für meine Tagesplanung nicht ganz unerheblich, schließlich will ich ja am Nachmittag ausgerechnet von
Baden-Württemberg nach Bayern fahren. Um es kurz zu machen: Ich stehe bei 30 Grad im Schatten eine gefühlte Ewigkeit im Stau, krieche mit schmerzender Kupplungshand zentimeterweise vorwärts und
genieße es, wie der Schweiß an meinen Beinen hinab in meine Schuhe rinnt. Ich bin leider nicht so geistesgegenwärtig, meine Helmkamera einzuschalten. Daher gibt es für die Nachwelt keine
Überlieferung davon, wie ich mich zu immer gottloseren Flüchen versteige, ganz neue Schimpfworte erfinde und meinem Ärger lautstark Luft mache. Falls es den Film gäbe, wäre er sicher FSK
16...
Am frühen Abend komme ich endlich in Rothenburg ob der Tauber an. Die Stadt ist brechend voll und wegen der bevorstehenden Pfingstfeierlichkeiten nur eingeschränkt befahrbar. Zum Glück passt der
800er Tiger locker an Straßenabsperrungen vorbei und steckt mit seinen langen Federwegen Kopfsteinpflaster, Bordsteinkanten und ähnliche Unannehmlichkeiten locker weg. Im Hotel schlüpfe ich
rasch in etwas Luftigeres und schaue mir, mit meiner Kamera und einer großen Flasche Apfelschorle bewaffnet, die Sehenwürdigkeiten und das bunte Treiben in der Altstadt an. Immer wieder
begegnen mir Einheimische in historischen Gewändern, die musizierend durch die alten Gassen marschieren. Ein paar junge Damen in Trachten und mit rußverschmierten Gesichtern schneiden mir
Grimassen, als sie bemerken, dass ich sie fotografiere. "Zur Strafe kommt das alles auf meine Homepage!", rufe ich ihnen hinterher.
Ich sehe mir unter anderem das Plönlein an, einen kleinen Platz, an dem die Straße abzweigt und links zum Siebersturm und rechts hinunter zum Kobolzeller Tor führt. Dies ist das klassische
Postkartenmotiv, das jeder Tourist aus Rothenburg mitbringen muss, weil ihm sonst keiner glaubt, dass er dort war. Also stelle auch ich mich geduldig hinter einer asiatischen Reisegruppe an, um
meinen Schnappschuss zu bekommen. Anschließend besuche ich die Spitalbastei, eine Bastion aus dem 17. Jahrhundert, die mit zwei Zwingern und sieben Toren das mächtigste Bollwerk der Stadt ist. Der
Geschützboden der Bastei ist begehbar. Außer ein paar Kanonen gibt es zwar nicht viel zu sehen, aber immerhin sind die Temperaturen in dem Gemäuer einigermaßen erträglich. Schweren Schrittes
schleppe ich mich wieder hinaus in die Gluthitze und laufe über die Stadtmauer, von der aus man einen tollen Blick auf das Taubertal hat. Ich fotografiere noch bis in die Nacht hinein und gebe erst
auf, als mir "das Licht ausgeht".